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Holger Böning

Welteroberung durch ein neues Publikum.   Die deutsche Presse und der Weg zur Aufklärung.

Hamburg und Altona als Beispiel

Aufklärung ist ohne Öffentlichkeit und Wissenschaft undenkbar. Wissenschaft meint anfänglich - in einem ganz wörtlichen Sinne - das Wissen über gesellschaftliche Prozesse und weltpolitische Ereignisse. Vermittelt wird es seit dem frühen 17. Jahrhundert durch die Zeitungen. Die Wirkungen des neuen Mediums sind nicht zu überschätzen: Obrigkeitliches Geheimwissen wird öffentlich; die allgemein zugängliche, regelmäßige Information gewährt Einsicht in das Funktionieren des Politischen und führt zur ausgeprägten Weltbezogenheit des sich neu herausbildenden bürgerlichen Publikums. Schnell werden die Zeitungen zum wichtigsten weltlichen Lesestoff. Sie erzeugen das Bedürfnis nach zusätzlichen Mitteln der Information. Flugschriften, Broschüren und erste politische Zeitschriften ermöglichen Diskussionen und erhöhen die Vertrautheit mit den Spielregeln des Politischen - ein wesentlicher Schritt auf dem Weg in die Moderne.

Den zweiten Akt einer regelrechten Welteroberung markieren im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts Zeitschriften, die den Zugang zu den Wissenschaften ermöglichen. Die so hergestellte Öffentlichkeit befreit die Welterkenntnis von theologischen Zwängen. Eine neue Bedeutung erhalten die Naturwissenschaften. Früh wie sonst nirgends erscheinen in Hamburg erste populärwissenschaftliche Zeitschriften.

Am Ende des faszinierenden Weges zur Aufklärung steht die Eroberung moralischer Deutungshoheit. Was bereits am Ende des 17. Jahrhunderts in ethischen Urteilen eines selbstbewußten neuen Lesepublikums aufkeimt, kulminiert in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts in den großen Debatten, deren Ort die Moralischen Wochenschriften werden.

Nirgendwo sonst sind diese Prozesse so ausgeprägt zu beobachten wie in der deutschen Pressehauptstadt Hamburg und dem dänischen Nachbarort Altona. Die Pressegeschichte dieser Orte kann mit Fug als deutsche Pressegeschichte gelesen werden. Mit ihr erweist sich das 17. Jahrhundert als eine Epoche von Veränderungen, die ein vollständig neues Medien- und Kommunikationssystem hervorbringen. Auf deren Basis kann sich im 18. Jahrhundert die Aufklärung entfalten.

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Mit den ersten Bänden der „Deutschen Presse“, den „Biobibliographischen Handbüchern zur Geschichte der deutschsprachigen periodischen Presse von den Anfängen bis 1815“ haben Holger Böning und Emmy Moepps von der Deutschen Presseforschung, einer zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung der Universität Bremen, für Hamburg wie für Altona, Bergedorf, Harburg, Schiffbek und Wandsbek Grundlagenwerke geschaffen, die zu den großen geisteswissenschaftlichen Leistungen der Gegenwart zählen. Der Germanist und Historiker Holger Böning hat auf der Basis der Recherchen und Forschungen für die Handbücher eine Geschichte in Hamburg und Altona im 17. und 18. Jahrhundert verfasst, die dank der Unterstützung der „ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius“ und der „Stiftung Pressehaus NRZ“ mit angemessener Ausstattung in zwei Leinenbänden erscheinen konnte. Für die Medien- und Kommunikationsgeschichte setzen diese Werke ebenso Maßstäbe wie für die Sozial- und Kulturgeschichte Hamburgs und Altonas. Keine andere deutsche Stadt oder Region verfügt derzeit über eine so fundierte Pressegeschichte.
Franklin Kopitzsch in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 93, 2007

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