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Holger Böning

Volksarzt und Prophet des Schreckens

Julius Moses. Ein jüdisches Leben in Deutschland

Band 100 der Reihe "Presse und Geschichte – Neue Beiträge", herausgegeben von Astrid Blome, Holger Böning und Michael Nagel

Band 20 der Reihe "Die jüdische Presse – Kommunikationsgeschichte im europäischen Raum", herausgegeben von Susanne Marten-Finnis und Michael Nagel

Cover:

Cover des Buches

Titel:

Holger Böning:

Volksarzt und Prophet des Schreckens. Julius Moses. Ein jüdisches Leben in Deutschland

410 S., 40 Farbtafeln, zahlreiche SW-Abb. 2016 – fester Einband

ISBN:

978-3-943245-40-0

Preis:

EUR 44,80

Diese Biographie erzählt das Leben des Arztes und Sozialmediziners Julius Moses. In Posen geboren, kommt er nach dem Studium in Greifswald in die Metropole Berlin. Hier nimmt er im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubensam Kampf ge­gen den im Kaiserreich anwachsenden Antise­mi­tis­mus teil. 1902 gründet er eine Zeitung, den General-Anzeiger für die gesamten Inter­es­sen des Judentums, und einen Verlag, in dem ein von Theodor Herzl angeregtes Illustrier­tes jüdisches Witzblatt, der Schlemiel, er­scheint. Mit den von ihm herausgegebenen deutsch-jüdischen Anthologien, No­vellen- und Roman­samm­lun­gen sowie einem jüdischen Alma­nach begreift Moses sich als Teil einer jungen und selbstbewussten jüdischen Renais­san­ce. Nirgendwo wird leben­di­ger über die Herausforderungen diskutiert, denen die deutschen Ju­den angesichts der längst noch nicht verwirk­lich­ten staats­bürgerlichen Gleichheit, zu­neh­men­der Juden­feind­schaft und der neuen Bewegung des Zionismus gegenüberstehen. Großes Aufsehen erregen Moses‘ publizistische Umfragen zum Zionismus und zur Lösung der Judenfrage.

Im proletarischen Berlin wird Moses zum engagierten Volksarzt. Der von ihm propa­gierte Gebärstreikführt in Massenversammlungen zu erregten Diskussionen, in denen er sich – gemeinsam mit dem jungen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld –, Rosa Luxem­­burg und Klara Zetkin gegenübersieht. Er tritt nicht allein für sexuelle Selbst­be­stimmung ein, sondern auch für ein neues Verhältnis zwischen Arzt und Patient und ge­gen den „verderblichen Irrglauben gewisser Mediziner“, der Arzt stehe über jeder Kritik, „müsse jeden Versuch, ihn kritisch zu beurteilen, als eine Art Ma­je­stäts­belei­di­gung des Standes unbedingt, unter allen Umständen zurückweisen“. Jeder wissen­schaft­liche Fortschritt aber verdanke sich der Kritik. Moses wird in der Weimarer Republik zum wichtigsten Kritiker ärztlicher Menschenversuche.

Angesichts der sozialen Probleme seiner Patien­ten löst er sich vom politischen Libe­ra­lis­mus und wird noch vor dem Ersten Weltkrieg Sozial­demokrat. Als Kriegsgegner ist er an der Gründung der USPD beteiligt, deren Vorstand er ebenso angehört wie ab 1922 dem der SPD. Von 1920 bis 1932 nimmt er sich als Reichs­tags­ab­ge­ord­neter und gesund­heits­politischer Sprecher seiner Fraktion der sozialen Pro­bleme der Arbeiter­be­völ­ke­rung an, tritt gegen den § 218, dieses „Aus­nah­me­ge­setz ge­gen die Arbeiterfrau“, auf und wirbt in einem Geist, der in Deutschland erst in den 1970er Jahren mehrheitsfähig werden sollte, beherzt für Reformen des Ge­sundheitswesens und des Straf­voll­zugs.

Schmerzliche Jahre erlebt Julius Moses ab 1933. Nach den Nürnberger Gesetzendarf er nicht mehr mit seiner Lebenspartnerin und dem gemeinsamen Sohn zusammenleben. 1934 notiert er beim Niederschreiben seiner Erinnerungen: „Für die bessre Zeit, die wir nicht sehen werden, die Kinder vorzubereiten und zu stärken, ist meine höchste Auf­ga­be. Und ich will sie lehren, wie schlecht es den Juden ansteht, andere zu schlagen oder zu unter­drücken.“

1942 wird Julius Moses nach Theresienstadt depor­tiert und dort ermordet. Bis in die grau­sigen Details muss er erleiden, was er drastisch wie kein zweiter vor 1933 an Aus­mer­zung alles Schwachen, an Aus­gren­zung der jüdischen Bevölkerung und an staatlich organisiertem Massen­raub­mord prophezeit hat.

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